Irène Wüest

6 Prinzipien aus der Führungskunst

Geschrieben von Irène Wüest | 07.02.2024

 

Gärtner wissen wie der Umgang mit komplexen, sich ständig wandelnden Systemen zu handhaben ist. Als Führungspersonen können wir diese Metapher als Inspirationsquelle auf der Suche nach einem zeitgemässen Selbstverständnis nutzen und davon lernen.

  1. Biophilie (= das Leben lieben)
    Gärtner lieben das Lebendige. Sie haben den Spass daran, andere – ihre Pflanzen – wachsen und gedeihen zu sehen. Sie halten diese nicht klein, sondern tun alles dafür, dass sie sich gut entwickeln können. Gärtner schaffen dafür das passende Umfeld.

    In der Führung:
    Fakt ist: Erst auf die Blüte folgt eine reiche Ernte. Was so viel heisst wie der Mitarbeitende muss Vergnügen und Freude haben an dem was er tut, sonst ist seine Leistungsfähigkeit gemindert. Führungspersonen benötigen folglich ein Umdenken: Freude, Geniessen und Lust sind nicht erst angebracht, wenn alles getan ist, sondern bedingen freudvolle, erfolgreiche  Arbeit. Wer Mitarbeitende zum Blühen bringt, indem sie ihre Fähigkeiten und Stärken entfalten können, kann reichlich ernten. Der Mensch will etwas bewirken und verkümmert, wenn er dies nicht tun kann.
  2. Demut und Bescheidenheit als Haltung
    Gärtner sind keine heroischen Gestalten, keine charismatische Leader, die dem Garten die Richtung vorgeben. Sie sind sich bewusst, dass Wachstum nicht in ihnen selbst steckt, sondern im Boden und in den Pflanzen. Sie pflegen nicht ihr Ego, sondern den Garten.

    In der Führung:
    Als Führungsperson benötigt es u.a. eine innere Haltung, die sich durch Bodenständigkeit und Hands-on-Mentalität auszeichnet. Es geht nicht um Statussymbole, Selbstdarstellung, hochfliegende Visionen wie «das Unmögliche möglich zu machen», sondern um das Mögliche möglich zu machen. Es geht um die Sache, nicht um’s Ego einer Führungsperson
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  1. Die richtigen Kenntnisse
    Ein Gärtner braucht Pflanzenkenntnisse und muss wissen, was seinen Pflanzen guttut und was sie verkümmern lässt. Er interessiert sich für seine Pflanzen, beobachtet sie, häuft seinen Erfahrungsschatz an, um sorgsam mit den verschiedenen Gewächsen umzugehen. Hin und wieder unterlaufen ihm Fehler, aber weil er seine Pflanzen genau anschaut, nimmt er auch kleine Hinweise wahr, um schnell und korrigierend eingreifen zu können oder es das nächste Mal besser zu machen.

    In der Führung:
    Eine Führungsperson braucht Menschenkenntnisse. Der eine sucht Aufmerksamkeit, will Anerkennung und hat keine Bedenken, seine Kollegen beiseitezuschieben. Die andere mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen und die Kollegen zu überragen. Solche Mitarbeitende fühlen sich wohler, wenn sie sich an anderen orientieren können. Es braucht in jedem Unternehmen mutige Gestalter und Innovatoren sowie fleissige Routinearbeiter. Letztendlich profitiert das Unternehmen vom Zusammenwirken der Heterogenität. Als Führungskraft lohnt es sich, auf deren unterschiedlichen Bedürfnisse einzugehen
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  2. Blick für das Ganze
    Gärtner wissen, dass sie immer wieder regulierend eingreifen müssen. Sie tragen Sorge, dass ihre Pflanzen gedeihen, allerdings nicht über ein zuträgliches Mass hinaus. Pflanzen, die allzu stark wuchern, schneiden sie zurück. Wenn sich eine Pflanze zu stark über den Garten ausbreitet und das Gedeihen anderer Pflanzen gefährdet, wird dieses Gewächs nicht als Best Performer gewürdigt, geklont und neu ausgesät, sondern entfernt. Sich um jeden Preis durchzusetzen, auf Kosten anderer ist im Garten kein Erfolgsrezept.

    In der Führung:
    Hier heisst es wach sein als Führungsperson. Rücksichtslose Karrieristen richten Schaden an, sogar wenn sie exzellente Ergebnisse liefern. Dies tun sie nämlich auf Kosten von anderen. Sie zerstören Vertrauen und untergraben Kooperation, auf die es heute stärker ankommt als je zuvor
  1. Weniger Perfektion, mehr Flexibilität
    Gärtner üben sich in Gelassenheit und Flexibilität, denn sie wissen, dass der Garten ein lebendes System ist. Dieses entwickelt sich gerne anders, als sie es geplant haben. Ein Garten lässt sich nicht steuern, aber beeinflussen. Ein Gärtner macht das Beste aus dem Unvollkommenen, denn Makellosigkeit und Perfektion passen nicht in sein zeitliches Muster. Perfektion gibt es nur in den Showgärten, wo Pflanzen in Spezialgärten hochgepäppelt werden, damit die perfekten für die Show einpflanzt werden können. Eine solche Inszenierung bzw. Spitzenleistung ist immer nur punktuell erreichbar. Ein Gärtner hingegen ist damit beschäftigt, den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten, indem er plant und improvisiert.

    In der Führung:

    Auch Führungspersonen tun gut daran, sich von Perfektion bzw. Idealen zu verabschieden. Nicht nur, weil dauerhafte Perfektion unrealistisch ist, sondern auch, weil sich der Mut zum Unperfekten oftmals auszahlt. In unserer VUCA-Welt ist es lohnend, etwas einfach mal auszuprobieren, auch wenn es noch nicht perfekt ist.

  2. Den Biorhythmus nutzen
    Gärtner haben ein besonderes Verhältnis zur Zeit. Sie denken langfristig und haben eine Vorstellung vom Garten, wie er in mehreren Jahren aussieht. Zudem haben sie ein Gespür für den Biorhythmus der Pflanzen, die zwischen Hoch- und Niedrigphasen hin und herschwingen, zwischen Aufbau und Abbau. Dulden sie nur Hochphasen, richten sie jedes lebende System zugrunde. Im Gartenjahr gibt es die «Saftruhe», in der alle Lebensvorgänge verlangsamt sind, die Vegetation ausruht, um im Frühjahr mit neuer Kraft hervorzubrechen.

    In der Führung:
    Wenn Führungspersonen unter Druck stehen bzw. ständig Druck ausüben, um ohne Unterbruch Spitzenergebnisse zu liefern, richten sie jedes lebende System zugrunde. Wie der Begriff «Spitze» schon sagt, ist ein Spitzenergebnis einmalig und hört sofort auf ein Spitzenergebnis zu sein, sobald es auch nur ein zweites Mal erreicht wird. Das heisst jedoch nicht, dass man seinen Anspruch auf Qualität senken muss, sondern nur anders organisieren. Denken Sie in Rhythmen und planen sie Abschwung- und Erholungsphasen für sich und ihre Mitarbeitenden ein. Sonst produzieren sie Erschöpfungszustände, aus denen die Betreffenden nicht mehr rauskommen. Übernehmen Sie Verantwortung, indem sie Ruhephasen einplanen und erschöpfte Mitarbeitende «beruhigen».

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Quelle: Nöllke, Matthias: Management-Bionik