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Die vier Zimmer der Veränderung

Das House of Change des schwedischen Psychologen Claes F. Janssen bietet ein einfaches, aber tiefgehendes Modell, um emotionale Reaktionen in Change-Prozessen zu verstehen.

Die grundlegende Aussage des House of Change Models ist, dass wir bei jeder Veränderung immer durch alle vier Zimmer gehen müssen - manche bewusst, einige unbewusst, andere widerwillig.

Worum geht es?

Beim House of Change durchlaufen Führungskräfte und Teams alle vier "Zimmer" (Phasen) einer Veränderung. Manche bewusst, einige unbewusst, andere widerwillig. Negative Emotionen sind dabei normal und sollten ernst genommen werden.

  1. In der Zufriedenheit läuft alles gut wie immer.
  2. Später in der Ablehnung kämpfen wir gegen das Neue.
  3. In der Verwirrung verlieren wir die Orientierung.
  4. Erst im Zimmer der Erneuerung wird die Sicht wieder klar.

Je tiefgreifender die Veränderung, desto länger dauert der Prozess.

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Die Trauerkurve nach Elisabeth Kübler-RossIrene Wüest - 4 Zimmer der Veränderung 2

Weiterentwicklung der Trauerkurve

Das Haus der Veränderung ist eine Weiterentwicklung der Change-Kurve von Elisabeth Kübler-Ross, die in Interviews mit über 200 unheilbar kranken Menschen feststellte, dass mit dem Tod konfrontierte Patienten ähnliche Phasen durchlaufen. Das Modell der Schweizer Psychiaterin ist deswegen auch als "Trauerkurve" bekannt. 

Die emotionalen Zustände unterscheiden sich vor allem durch wahrgenommene Steuerungskompetenz, d.h. durch das Gefühl der Kontrolle.

 

 

Change Management in der Praxis: 
So führen Sie durch die vier Zimmer

Stärken Sie Ihre Handlungskompetenzen im Veränderungsprozess. Nutzen Sie die Erkenntnis, dass jeder Veränderungsprozess die vier Phasen durchlaufen muss, um Ihr Führungsverhalten darauf auszurichten.

Jede Phase erfordert andere Prioritäten. Ihre Aufgabe ist es, Orientierung zu geben, Raum zu schaffen und Emotionen ernst zunehmen.

1. Raum der Zufriedenheit:

Dringlichkeit wecken, aber ohne Angst.

Im Zimmer der Zufriedenheit geht es darum, Leute wach zu küssen und Ihnen in aller Deutlichkeit und Entschiedenheit die Veränderung vor Augen zu führen.

Was können Sie konkret tun:

  • Frühzeitig informieren
  • Wahrheiten offen kommunizieren
  • Raum & Zeit geben, die Informationen zu verarbeiten
  • Hintergründe und Entscheidungen aufzeigen
  • Geschichten über Veränderung einbringen
  • Den „Warum“-Faktor verdeutlichen: «Was passiert, wenn wir nichts ändern?»
  • Austausch fördern:
    „Was bedeutet das für dich/uns?»
    «Was funktioniert heute – und was könnte morgen nicht mehr reichen?»
    «Was passiert, wenn wir uns nicht verändern?»
  • Konsequenzen des Nicht-Handelns aufzeigen – ohne Panikmache



4. Raum der Erneuerung:

Energie bündeln, Neues verankern.

Hier haben Mitarbeiter den Tiefpunkt hinter sich. Das kann jedoch zu sehr ambivalenten Situationen führen. Denn statt vor Freude zu tanzen, sind sie gleichzeitig sehr erschöpft.

Was können Sie konkret tun:
  • Ambitionierte Ziele formulieren
  • Lob und Anerkennung zeigen für Verhaltensänderungen
  • Freiräume geben, Kompetenzen stärken
  • Zu mehr Eigeninitiative ermutigen
  • Viel Feedback geben und vor allem loben
  • Austausch fördern:
    «Was war der Wendepunkt?»
    «Was wollen wir aus dieser Phase mitnehmen für die Zukunft?»
    «Was ist aktuelle best practice»?
  • Neue Identität stärken: «Wer sind wir jetzt?»
  • Auf Rückfälle achten – mit Verständnis, aber Klarheit «es geht nur vorwärts.»
  • Veränderungs- und Lernprozess verankern, lernen, festigen, trainieren
  • Erfolge erkennen und feiern

2. Raum der Ablehnung

Emotionen zulassen, Zugehörigkeit stärken.

Das Zimmer des Widerstands ist das anspruchsvollste Zimmer. Denn hier treten heftige Emotionen auf und in Verbindung mit dem Gefühl der wahrgenommenen Steuerungskompetenz und Kontrolle haben Mitarbeiter noch einen sicheren Stand.

Was können Sie konkret tun:

  • Emotionen zulassen, benennen und vor allem ernst nehmen – kein „Schönreden“
  • Zuhören, ohne sofort Lösungen zu liefern
  • Das Alte würdigen, Verständnis zeigen, dass Leute am Alten hängen
  • Widerstand als Zeichen der inneren Auseinandersetzung erkennen und nicht persönlich nehmen
  • Wenn der Widerstand destruktiv ist: Zeichen setzen, Klarheit schaffen, dass es kein Zurück gibt
  • Dialog suchen:
    „Wie können wir damit umgehen?“
    «Was macht diese Veränderung mit mir/uns?»
    «Was geht durch den Kopf, wenn ich an die Veränderung denke?»

 

3. Raum der Verwirrung:

Orientierung und Sicherheit geben.

Hier ist Ihr Team am Tiefpunkt. Alte Kompetenzen sind nicht mehr gefragt und neue noch nicht entwickelt. Es herrscht Chaos und es fehlt an Sicherheit. Deswegen ist Ihre wichtigste Aufgabe in dieser Phase, ein „Fels in der Brandung” zu sein und viel Sicherheit auszustrahlen.

Was können Sie konkret tun:

  • Struktur und Orientierung bieten, auch wenn noch nicht alles klar ist
  • Räume für Austausch und Fragen schaffen
  • Möglichkeiten zum Ausprobieren und Mitgestaltung schaffen
  • Neues auszuprobieren ganz nach dem Motto: «Was können wir jetzt gemeinsam ausprobieren?»
  • Viel Loben für das Ausprobieren des „Neuen”
  • Mut machen zur Nicht-Perfektion, zum Fehler machen, da ein ganz normaler Prozess im Lernen
  • Rollen und Verantwortlichkeiten klären
  • Kurzfristige und erreichbare Ziele setzen
  • Unterstützen und regelmässiges Feedback geben
  • Kleine Erfolge sichtbar machen und feiern

Die vier Zimmer der Veränderung

Das Durchlaufen der Phasen gehört zu jedem Veränderungsprozess. Die Dauer des Aufenthalts in den einzelnen Zimmern variiert und lässt sich nicht beschleunigen.

1. Raum der Zufriedenheit:

Es lebe der Status Quo.

Alles ist vertraut, Routinen funktionieren, eingespielte Prozesse laufen mehr oder weniger gut. Ein externer Schock oder eine langsam eintretende Erkenntnis, dass eine Veränderung unausweichlich ist, werden ignoriert oder kleingeredet. Es gibt kein Gefühl der Dringlichkeit und der Wille zur Veränderung ist klein.

Typisch:

  • „Das war schon immer so.“
  • „Warum etwas ändern, wenn es funktioniert?“
  • „Wir sollten das nicht so ernst nehmen.“
  • „Das ist nur vorübergehend.“
  • „Das ist nur Panikmache.“

Kaum kritische Fragen – oder übertriebene Harmonie
Entscheidungen werden aufgeschoben

4. Raum der Erneuerung:

„Ich bin da und habe dazugelernt.

Nebel und Schwere weichen. Erste Erfolge treten ein, neues Verhalten festigt sich. Das Vertrauen steigt, wird aber von Müdigkeit und Erschöpfung begleitet. Eine höhere Steuerungskompetenz ist erreicht. Wir haben die Zuversicht, dass uns eine vergleichbare Situation nicht mehr aus der Bahn wirft.

Typisch:

  • „Jetzt wird’s besser.“
  • „Ich hab’s verstanden – und sogar Freude daran.“
  • „Jetzt sehe ich klar.“
  • „Ich sehe langsam, wofür es gut ist.“
  • „Jetzt muss ich erstmal durchschnaufen.“

 Eigeninitiative steigt 
 Neues Verhalten zeigt sich spontan

2. Raum der Ablehnung

Das darf einfach nicht wahr sein.

Die Veränderung ist sichtbar und unausweichlich – wird aber bekämpft. Der alte Zustand wird schöngeredet. Es beginnt die Suche nach Schuldigen. Wut, Angst oder aktiver und passiver Widerstand treten auf. Das Gefühl einer höheren wahrgenommenen Kontrolle kommt auf. In diesem Zimmer sind Sie als Führungsperson besonders gefordert. 

Typisch:

  • „Das war früher besser.“
  • „Das betrifft die anderen, nicht mich.“
  • „Das ist nur passiert, weil …“
  • „Das haben wir X zu verdanken.“
  • „Ich finde das richtig Sch...“

  Fokus auf Details, Ausreden, Verharmlosung
  Sarkasmus, Zynismus, Rückzug

3. Raum der Verwirrung:

„Ich weiss nicht mehr weiter.

Der Umbruch ist real. Wir haben verstanden, dass sich etwas ändern wird bzw. muss. Der rationalen Einsicht folgt zeitversetzt die emotionale Einsicht. Menschen fühlen sich überfordert, desorientiert und handlungsunfähig. Wir durchlaufen das Tal der Tränen. Orientierung fehlt, wir rufen nach Hilfe.

Typisch:

  • „Ich weiss nicht mehr weiter.“
  • „Was gilt hier eigentlich noch?“
  • „Wie konnte ich nur in diese Situation geraten?”
  • „Was sollen wir jetzt tun?”
  • „Wir brauchen Hilfe.“

 Stimmung schwankt stark
 Produktivität sinkt – gefühlt geht nichts voran

Fazit: Veränderung ist ein Weg – kein Sprint

Das House of Change macht sichtbar: Jeder Mensch geht seinen eigenen Weg – in seinem Tempo. Geduld, Empathie und Klarheit sind der Schlüssel, um Veränderung wirksam zu begleiten.

Übrigens, … wenn Mitarbeitende nicht weiterwollen:
Manche Menschen verweilen dauerhaft im Widerstand oder in der Zufriedenheit und blockieren dadurch die Entwicklung des Teams. Wenn alle Begleitversuche scheitern, kann es notwendig sein, sich von diesen „Hausbesetzern“ zu trennen – zum Schutz der Teamdynamik und Zielerreichung.

Tipp
Machen Sie Change-Prozesse besprechbar – z. B. mit einem Team-Check-In: «In welchem Zimmer befindest du dich gerade?»
So schaffen Sie Verbindung, Verständnis und Vertrauen.

UND
Halten Sie regelmässig inne und fragen Sie sich selbst: „Wo stehe ich selbst gerade?“
Nur wer den eigenen Standort kennt, kann gut führen.

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Stecken Sie in einem Veränderungsprozess fest? Ärgern Sie sich, dass es nicht vorwärts geht? Oder fehlt die Erfahrung, aus der Krise herauszukommen? 

Als Coach für Führungskräfte stehe ich Ihnen sehr gerne zur Seite.